IMG 08 – Laufen – 4:22h

Da ich nach dem Schwimmen und dem Rad fahren keinerlei Probleme hatte und auch keine Schmerzen, mal abgesehen davon, dass mir der Hintern wehgetan hat vom Rad, was aber beim Laufen nicht weiter stört, geb ich zu, dass ich während des Verlassens der Wechselzone etwas herumgerechnet habe. Ich war gerade 7:15h unterwegs und damit exakt in dem Zeitplan, den Kumpel Applejack für sein sub11-Versuch zurechtgelegt hatte. Einen Marathon in 3:44h, kannst du das jetzt noch?! Da mir jegliche Marathon-Erfahrung fehlt, um das entsprechend einschätzen zu können, dachte ich zurück an das, was Trainer Stephan mir noch gesagt hatte: du wirst keinen Marathon unter 4h laufen… also beschloss ich mal mit einem 5:40er Schnitt zu beginnen, um zumindest in dem Bereich der 4-Stunden-Marke zu bleiben; mit dem Sensor am Fuߟ, konnte ich das ja leicht überprüfen.

1.Runde (10,5km) – ca. 1:03h

In der ersten Runde konnte ich den Schnitt wunderbar halten, ich fühlte mich dabei wohl und der Puls war auch im grünen Bereich, sogar etwas niedriger als zuvor auf dem Rad. Die Laufstrecke kannte ich nur vom Plan, gelaufen bin ich sie vorher noch nicht.

Während der kompletten Runde hielt ich Ausschau nach meinen Fans, doch sie waren anscheinend noch nicht angekommen. Die Bedingungen waren optimal, lediglich wenn man über die Brücken lief, merkte man den Wind etwas mehr. Auf dem Weg zur Sachsenhausener Seite musste ich immer meine Kappe festhalten, damit sie mir nicht wegflog.

Erste Runde

Die erste Runde war gefühlt recht schnell vorbei und ich hatte mein erstes Bändchen. Über eine Brücke ging es danach dann wieder zurück zum Mainkai. Kurz nachdem ich die Brücke überquert hatte und wieder am Main unten angelangt war, musste ich zum zweiten Mal ein Dixi aufsuchen und ein längeres Geschäft verrichten. Das ist auch der Grund, warum die Kilometerzeit auf über 6min anstieg.

2.Runde (10,5km) – ca. 1:04h

In der zweiten Runde lief es dann genauso, gleiches Tempo, allerdings an den Verpflegungsstellen kurze Stopps, da ich mir in der ersten Runde das Zeugs immer vorbeigekippt habe. Die schönen Orangen-Drinks landeten dann zum groߟen Teil auf meinem Shirt und nicht in meinem Mund (sah aus, als hätte ich mich vollgek….). Deshalb hab ich dann kurz gestoppt, getrunken und weiter gings… Auch am Ende dieser Runde ging’s wieder auf’s Dixi…

Zweite Runde

3.Runde (10,5) – ca. 1:06h

Die erste Hälfte des Marathons war also vorbei… und ich dachte andauernd „es kann doch nicht sein, dass das so glatt läuft, irgendwo muss da doch noch was kommen“. Ja… und das kam dann… irgendwie hatte ich keine Lust mehr auf das Laufen… obwohl mir eigentlich nichts wirklich weh tat, zumindest nicht, was man als Schmerzen bezeichnen würde, ich hatte einfach keinen Bock mehr. Ich sagte mir,Mensch lauf doch weiter, du hast doch genug Zeit… du kannst dir für die zweite Hälfte über zweieinhalb Stunden Zeit lassen bist immer noch sub12. Das hättest du dir doch nie zu träumen gewagt… also lauf gefälligst weiter.

Das tat ich dann auch, allerdings ca. 20 Sekunden langsamer pro Kilometer und um nicht groߟ nachdenken zu müssen, warum, weshalb und was das denn für einen Sinn hat, sich hier entlang zu quälen, wo man doch keine Lust mehr hat, griff ich mir zwei Schwämme und hielt sie rechts und links in der Hand. Ich konzentrierte mich einfach darauf, dass ich meine Arme mit den Schwämmen vor und zurück bewege, die Beine machten dann automatisch mit. Das funktionierte, ich lief weiter, allerdings verschwand das Lächeln aus dem Gesicht. Es wich einem ernsteren Blick. Das bemerkten natürlich auch meine Freunde, die andauernd von der einen auf die andere Mainseite wechselten um mich zweimal pro Runde anfeuern zu können. Ich hielt deshalb bei ihnen kurz an und sagte nur jedes Mal: Leute, wenn es jetzt etwas länger dauert, macht euch keine Gedanken, es wird gerade etwas härter und ich nehme einen Gang raus… auߟerdem erkundigte ich mich nach Applejack.

Dritte Runde

Der war zu diesem Zeitpunkt nur wenige hundert Meter hinter mir, allerdings auf seiner letzten Runde. Er holte mich mit seinem Bruder Marcus kurze Zeit später ein. Die beiden wollten gemeinsam über die Ziellinie laufen, doch daraus wurde nichts. Während Applejack und ich uns ein bisschen unterhielten, bekam der Bruder einen Krampf, nur ca. vier Kilometer vor der Finish-Line. Applejack hielt an, ich lief weiter… Wenig später holte mich er mich aber wieder ein und sagte, Marcus hätte einen Krampf in beiden Beinen, da ginge momentan gar nichts und das könne noch dauern. Prima, dachte ich mir. Da läuft der seinen ersten Ironman, ist locker auf 10:30er Kurs und dann sowas kurz vor Schluss… Hoffentlich passiert mir das nicht… Dass Marcus in 10:33h nur 7 Minuten nach Applejack ins Ziel kam, wusste ich ja zu diesem Zeitpunkt nicht…

4.Runde (10,7km) – ca. 1:09h

Und genau das spukte in meinem Kopf die komplette letzte Runde herum. Jedes kleine Zwicken wurde als Anzeichen für einen Krampf gewertet, deshalb auch vorsichtig gemacht.

An Verpflegungsstationen wurde nur noch gegangen, von Anfang der Station bis zum Ende, dann wieder gelaufen bis zur nächsten. So ging das dann weiter… je näher ich dem Ziel kam, desto gröߟer wurde die Angst, dass noch was schief geht.

Laufen mit Schwämmen

Deshalb bin ich von Anfang bis zur Mitte der letzte Brücke nur gegangen, sieht man von den Gehpausen an den Stationen ab, war das aber die einzige im ganzen Marathon. Den Rest bin ich gelaufen… in der kompletten zweiten Hälfte immer ziemlich genau 6:00min/km… die Differenz zu den angegeben Split-Zeiten habe ich sozusagen vertrödelt… aber es linderte die Angst, dass noch was schief geht.

Zieleinlauf

Wenn man das vierte Bändchen hat und vom Main zum Zieleinlauf abbiegen darf, geht es nicht direkt zum Römer auf den roten Teppich, sondern erst noch ein Stück Asphalt entlang. Hier dachte ich mir nur, „oh, oh, was wird nun passieren, ich hab Angst!“

Warum hatte ich Angst? Ganz einfach: so viele Finisher haben davon gesprochen, wie überwältigend das sei, dass man das nicht mit Worten erklären könne, und dass viele in Tränen ausbrechen, etc. Das war ein Hauptgrund, warum ich den Ironman überhaupt mitmachen wollte, ich wollte wissen wie es ist.

Ich hab mir beim Training schon oft versucht, vorzustellen, wie es sein wird. In wenigen Metern war es also soweit…

27 Kilogramm hatte ich abgenommen, mehr als ein Jahr lang konzentriert und ununterbrochen trainiert, dabei knapp 500 Stunden meiner Zeit geopfert, in denen ich mich 5.000km auf dem Rad gequält habe, 1.900km durch die Wetterau gelaufen bin und -nachdem ich Kraulen gelernt habe- 150km geschwommen bin, dazu noch einige Stunden im Kraftraum verbracht habe und knapp 150 Tage (mit einer Ausnahme) auf jeglichen Tropfen Alkohol verzichtet habe, das alles für diesen einen Moment… wird es sich lohnen…?!

Ich hatte echt Angst, dass es vielleicht nicht so toll sein würde, wie ich es mir immer vorgestellt hatte und dass alle Opfer, die ich und natürlich auch meine Freunde, meine Familie und allen voran meine Freundin gebracht haben, dass die umsonst gewesen sind.

Finish Line

In diesem Moment erspähte ich den Teppich und bog in die schmale Finish Line ein… der Moment auf den ich hingearbeitet habe, war gekommen… Zugegeben – es war anders, als ich mir es vorgestellt habe- aber es war toll… eigentlich toller als ich es mir vorgestellt habe. Aber was, genau an diesen letzten 170 Metern so toll ist, kann ich wirklich nicht beschreiben… es gibt Dinge, die kann man nicht in Worte fassen und das gehört mit Sicherheit dazu… das muss jeder selbst erleben…

Natürlich musste ich mich gleich bei den Leuten bedanken, die mich unterstützt haben und ohne die ich das gar nicht geschafft hätte.

Danke FreundeDanke Katharina

9 Gedanken zu „IMG 08 – Laufen – 4:22h“

  1. Ein wirklich toller Artikel! Wenn man dein Lächeln auf dem letzten Foto sieht, kann man erahnen was für ein Moment das gewesen sein muss! 🙂

  2. Wann wird denn der Bericht auf Pro Sieben gezeigt? Ich hoffe du informierst uns vorher 🙂

  3. Herzlichen Glückwunsch zum Ironman-Finish, der sensationellen Zeit und den Berichten. Da bekommt man richtig Gänsehaut!!!

  4. Glückwunsch zu deiner Leistung! Bis ich 30 werde möchte ich auch noch so eine Extremerfahrung erfahren 😉 …

    Mich würde einmal interessieren, ob du während des Ironman an deine Grenzen gehen mußtest, oder es Dank Training „relativ leicht“ von der Hand ging?

    Vor allem wie geht es dir eigentlich die Tage nach dem Wettkampf?

  5. Ein Bericht der die Leistungsgrenzen beim Marathon zeigt. Herzlichen Glückwunsch! Ich bewundere, wie du das in dieser Zeit geschafft hast.

  6. Sensationell, super geile Artikel ganz großes Kino, also man kann aufgrund deiner Erzählung fast meinen das man das alles selbst erlebt hat. Ich gratuliere Dir auch hier noch einmal zu dieser riesen Leistung, wenn Du mich jetzt sehen könntst, würde ich mit entferntem Hut mich vor Dir verbeugen.
    Echt tolle Leistung 🙂

  7. Danke für die Lobeshymnen… 😳

    Ich hab es aber schon ein paar Male geschrieben, dass ich die Leistung derer, die das ganze Training noch während eines normalen Angestelltenjobs erbringen, viel höher bewerte.

    Man darf nicht vergessen, dass ich durch die mir mögliche freie Zeiteinteilung und die erhaltene professionelle Unterstützung in Sachen Ernährung und Trainingssteuerung ja ähnliche Bedigungen wie ein Profi hatte.

    @Andra: der Bericht soll Ende Juli, Anfang August kommen. Also relativ zeitnah, aber wann genau, das weiß ich noch nicht. Werde ich aber hier noch bekanntgeben.

    @Marco: Montag hatte ich Hunger auf was richtig fettiges und bin zum Laden mit dem großen M gegangen. Muskelkater in den Waden und in den Oberschenkeln hatte ich natürlich, auch am Dienstag tat es noch ein bisschen weh. Seit Mittwoch spüre ich fast nichts mehr, werde morgen wieder Laufen gehen, wollte ich auch heute schon machen, kam ich aber nicht dazu.

  8. hallo an dich, mir macht es sehr viel mut dass du hier deine erfahrungen im netz veröffentlichst, ich würde dies auch gern aber leider bin ich informatik mäßig :-(. ist ja jetzt egal ich werde hier immer mal einen satz hinterlassen und deine leistung belesen.
    Ich selbt bin erst auf dem weg zur 42,2 km (6 Jahre Lauferfahrung erst)ob ich es schaffe hm, mal schaun Lieb grüße aus dem benachbarten thüringen nach Hessen

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