Tornado zwischen Melbach und Gettenau

Der 10.August 2014 war für mich einer der aufregendsten Tage in Sachen Wetter bisher.

An diesem Gewittertag herrschte in den Nachmittagsstunden ordentlich Windscherung, es gab viel Feuchtigkeit in Bodennähe und die Wolkenuntergrenze war recht niedrig. Gute Voraussetzungen also für die Entstehung von Superzellen und Tornados. Bereits am späten Nachmittag kam bei uns ein bestens organisiertes Gewitter vorbei und brachte kurzzeitig sehr starken Niederschlag.

 

Doch es sollte noch besser werden…

… denn die Scherung sollte noch weiter zunehmen, weshalb auch Meteorologe Jörg Kachelmann folgendes twitterte – übrigens eine Stunde bevor ein starker F2-Tornado in Bad Schwalbach den Kurpark verwüstete:

 

Nach dem anfangs erwähnten fetten Gewitter dachte ich schon, dass nicht mehr allzu viel passieren würde, doch gegen kurz nach 20:00 Uhr verdunkelte sich der Himmel erneut. Ich schaute aus dem Fenster in Richtung Bad Nauheim und sah nur eine schwarze Wand. Da ich eh nichts erkennen konnte bin ich wieder rein ins Büro um mir das Radar anzuschauen, dann setzte auch der extreme Starkregen ein.

Nach kurzer Zeit war alles vorbei und ich wollte nachsehen, wie viel bei meiner Station an Regen herunter gekommen waren. Doch aus dem Augenwinkel sah ich, dass die tiefen Wolken in eine komplett andere Richtung zogen als vorher. Ich blickte deshalb nochmal auf das hochaufgelöste Radar, was mir als Skywarn-Mitglied zugänglich ist und sah das Radarbild von 20:15 Uhr mit einem verdächtigen Echo. Daraufhin bin ich in den oberen Stock an Fenster gegangen und war beeindruckt, dass die Wolken scheinbar wild in alle erdenklichen Richtungen zogen. Ich flitze wieder nach unten, um meine Kamera zu holen und während ich Bilder vom ganzen Schauspiel machte, sah ich, dass die Wolken nicht wild durcheinander zogen, sondern um einen kleinen Bereich herumkreisten. Doch dieser Bereich war leider durch den Obstbaum vom Nachbarn versperrt.

Der Zeitpunkt, an dem der Tornado Bodenkontakt hatte. Leider mit versperrter Sicht.

Ich dachte in diesem Moment: „Scheiße, ein Tornado bei mir vor der Haustür und ich kann ihn nicht sehen.“ – und wie sich noch herausstellten sollte, hatte ich mit meinem Bauchgefühl recht, denn es handelte sich tatsächlich um einen Tornado, entstanden aus dem gleichen Zellkomplex, der zuvor den oben schon erwähnten Bad Schwalbach-Tornado hervorbrachte.

Ich eilte deshalb an ein anderes Fenster in der Hoffnung, dass der Baum nicht stören würde und tatsächlich, ich konnte das erste Mal in meinem Leben live eine Funnelcloud sehen, direkt von meinem Zuhause aus. Allerdings begann sie schon, sich aufzulösen.

Funnelcloud in Auflösung

Die Aufregung war groß, aber natürlich habe ich direkt meine Meldung bei Skywarn abgegeben, damit auch die Wetterdienste davon Kenntnis bekamen.

Tornado oder nicht, diese Frage beschäftige mich die darauffolgenden Tage

Ob es sich bei dem, was ich gesehen habe, um einen Tornado gehandelt hatte oder nicht, das ließ sich nur mit einer entsprechenden Untersuchung mit Sicherheit sagen. Dazu werden Schäden im besagten Bereich gesucht und auf auf typische Tornado-Fallmuster hin überprüft. Um aber überhaupt das mögliche Schadensgebiet eingrenzen zu können, brauchte ich noch weitere Bilder aus anderer Position, um eine entsprechende Peilung vornehmen zu können. Deshalb fragte ich auf Facebook nach, ob es weitere Fotos gäbe und bekam etliche Rückmeldungen. Außerdem stellte ich den Fall im Skywarn-Forum zur Diskussion.

 
Meine ersten Vermutungen gingen in die Gegend zwischen dem Wölfersheimer See und dem Mörsfeld. Doch leider war vor Ort nichts zu erkennen, hier waren nahezu alle Felder bereits abgeerntet. Es war also unmöglich an diesen Stellen Tornadoschäden zu finden.

In der Zwischenzeit hatte ich Kontakt zum Tornado-Experten Thomas Sävert, der über seine Tornadoliste noch weitere Meldungen zu diesem Fall bekam. Das Schadensgebiet vermuteten wir nach Aufzeichnung aller Meldungen in eine Karte eher Richtung Echzell-Gettenau. Ich fuhr deshalb erneut heraus und hatte dieses Mal auch meine Drohne dabei. Doch auch hier waren wieder alle Felder abgemäht. Alle Felder, bis auf eines. Ein Maisfeld stand einsam und verlassen zwischen Pfaffensee und Teufelsee, einem Naturschutzgebiet kurz vor Gettenau. Ich konnte aber zunächst nichts erkennen und wollte schon wieder fahren als ich am anderen Ende des Feldes ein paar umgeknickte Maispflanzen sah. Ich stieg aus dem Auto aus und ging über den Trampelpfad in Richtung des anderen Endes, die Spannung stieg…

Als ich davor stand, war klar: ok, hier hatte der Wirbel Bodenkontakt, es war also ein Tornado.

Schäden am Maisfeld

Man kann am obigen Foto wunderbar erkennen, dass die vorderen Maispflanzen nach rechts umgeknickt wurden (in Zugrichtung des Tornados) und die Pflanzen im hinteren Bereich nach links, also entgegen der Zugrichtung des Tornados – ein typisches tornadisches Fallmuster, entgegen dem Uhrzeigersinn. Der Tornado hat also zyklonal rotiert, wie die meisten bei uns auf der Nordhalbkugel.

Um noch ein besseres Bild zu bekommen, startete ich meine Drohne und machte unter anderem folgendes Foto:

Tornadoschäden mit Drohne fotografiert

Auch hier sieht man wunderbar das gegen den Uhrzeigersinn gedrehte Fallmuster der Pflanzen.

Video mit Bodenkontakt und weitere Schäden

Wenige Tage später bekam ich von Markus Schäfer ein von ihm aufgenommenes Video vom Tornado aus bester Position und mit digitaler Spiegelreflexkamera gefilmt. Besseres Filmmaterial hätte man kaum haben können. Es beginnt zwar erst ziemlich spät, ein paar Sekunden nach dem obigen Maisfeld, doch auch hier kann man wunderbar noch ganz kurz den Bodenkontakt durch aufgewirbelten Staub und Dreck erkennen (siehe Titelfoto oben, Screenshot aus diesem Video).

Hier ist das besagte Video:

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Die Schäden im Maisfeld waren nicht die einzigen: am Bahnübergang auf der Hohen Straße – was noch zur Gemarkung Wölfersheim gehört – wurden bei einem Nebengebäude eines Bauernhofes einige Ziegel abgedeckt und ein Grundstück weiter fällte der Tornado einige große Bäume. Auch fand ich in einem weiteren Maisfeld zwischen den beiden Bauernhöfen und dem Kreisel an der Hohen Straße ebenfalls tornadische Schäden.

Der Tornado zog also in ostnordöstliche Richtung und hatte auf einer Länge von ziemlich genau drei Kilometern immer mal wieder Bodenkontakt, wobei die größten Schäden im Maisfeld zu finden waren, mit einer Schneisenbreite von etwa 40-50 Metern. Die Einstufung der Maisfeld-Schäden erfolgte mit T3/F1, was Windgeschwindigkeiten von 151-183 km/h entspricht.

Ein Glück, dass er fast ausschließlich über freie Felder zog und sich vor Gettenau rechtzeitig auflöste!

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